Adenauer und der Comer See
Der Comer See und Cadenabbia waren für Adenauer seit dem Jahr 1957 ein wiederkehrendes Urlaubsziel und damit seine bevorzugte Erholungsstätte. So ist es auch kein Wunder, dass das hier beschriebene Gemälde, welches ihm am 29.4.1959 in Cadenabbia geschenkt wurde, seit geraumer Zeit den Flur seines Wohnhauses schmückt.
Es handelt sich um eine Tempera-Malerei, die von einem italienischen Künstler schätzungsweise Mitte des 19. Jahrhunderts erstellt wurde. Tempera-Farben haben den Vorteil, dass sie besonders lang haltbar, weniger anfällig für Altersmakel und Risse sind, und bei mehrschichtigem Auftragen überzeugender und farbintensiver werden.
Das Motiv des Kunstwerkes ist der Comer See selbst mit der ihn umrandenden Berglandschaft. Der uns unbekannte Künstler hat es geschafft, mit wenigen Farbtönen eine realistische und authentische Szenerie abzubilden, in die der Betrachter, vermutlich genau wie Adenauer zu seinen Lebzeiten, eintauchen kann. In dem Gemälde ist die Landzunge mit Dorf Bellagio rechts zu sehen, näher zum Zentrum der Gipfel Grigna Settentrionale. Der Blickwinkel des Malers könnte dem Ausblick vom Ort Cadenabbia auf den Comer See gleichen, ist sicherlich aber auch künstlerisch freier gestaltet. Die Natur blüht grün und grellgelb, die Berge ragen majestätisch in die Höhe, wobei die am weitesten entfernten Gipfel im Hintergrund sogar beschneit sind, was die Tiefe des Blickes ins Tal noch verstärkt.
Als Betrachter des Gemäldes kann man die Anziehungskraft des Sees und der Landschaft deutlich spüren und verstehen, warum Konrad Adenauer so gerne und oft hier Urlaub gemacht hat.
„Das Ambiente Oberitaliens und dessen Seen war auch wegen des früheren Frühlings dort schon immer eine Vorliebe“, äußerte sich Adenauer einmal auf die Frage eines Journalisten zu seinen Cadenabbia-Aufenthalten. Die so geliebte Idylle, worin der Bundeskanzler sich gleichzeitig entspannen und verstärkt über politische Konfliktfragen sinnieren konnte, wird hier von dem ruhigen Wasser des Comer Sees repräsentiert, welcher sich so natürlich um die alpine Bergkette schlängelt.
Adenauer verbrachte seine Zeit am liebsten in der Villa La Collina, in der er die räumliche und zeitliche Unabhängigkeit von Kalenderterminen nutzte, um über wichtige innen- und außenpolitische Entscheidungen zu reflektieren. „Besonders lockt mich dieses Haus, das vollständig isoliert ist, das auf einem Hügel liegt. Man ist für sich und hat doch die Schönheit der Natur“, beschreibt Adenauer die Villa Collina.
Nachmittags zog sich der Kanzler bevorzugt auf eine hintere Terrasse mit Blick auf den Monte Crocione zurück oder spielte in großer Runde sein geliebtes Boccia, was er in Cadenabbia erlernte und seitdem mit Leidenschaft perfektionierte.
Es ist heute bekannt, wie wichtig dieser Erholungsort für Adenauer und seine Politik gewesen ist. Der Kanzler lud regelmäßig bekannte europäische Staatsmänner wie den italienischen Ministerpräsidenten Amintore Fanfani oder Staatspräsident Antonio Segni dorthin ein.
Diese politischen Gespräche im Urlaubsambiente leisteten einen unstrittigen Beitrag zur „Festigkeit der atlantischen Gemeinschaft und der politischen Union Europas“, (Bernhard Vogel).
Die 1977 von der Konrad-Adenauer-Stiftung erworbene Villa La Collina ist daher auch heute, neben einem Hotel, internationale Begegnungsstätte, die zum Austausch über europäische Grundfragen animieren soll.
Text:
Schellenberger, Tara
Literatur:
Buchstab, Günter: Konrad Adenauer in Cadenabbia, Düsseldorf 1992.
Borchard, Michael; Falbisoner, Martin; KAS (Hgg.): Giuseppe Moro & Konrad Adenauer. Der Kanzlerfotograf vom Comer See, München 2019.
Foto: © StBKAH/Frank Homann